Haben Sie sich in ihrem Leben schon einmal darüber Gedanken gemacht, in welchem Alter Sie aus der Arbeitswelt ausscheiden wollen? Oftmals kann nicht so lange wie erwartet gearbeitet werden, man steigt früher aus der Arbeitswelt aus oder verbleibt länger als gedacht. Ein unerwarteter Ausstieg aus dem Arbeitsleben kann bisherigen Untersuchungen zufolge negative psychologische Folgen nach sich ziehen. Die Forscher*innen Abrams, Clarke und Mehta beschäftigten sich daher mit der Frage, welche Konsequenzen es hat, wenn man früher oder später als erwartet aus dem Arbeitsleben ausscheidet. Sie konzentrierten sich dabei insbesondere auf die Frage, ob dies zu depressiven Symptomen führen kann, denn Depressionen sind eine der wichtigsten Ursachen für eine verringerte Lebensqualität unter Personen im höheren Alter.
Für ihre Studie zogen die Forscher*innen Daten von über 10.000 Teilnehmer*innen einer in den Jahren 1992 bis 2016 in den USA durchgeführten Studie zu Gesundheit und dem Ausscheiden aus dem Arbeitsleben, der Health and Retirement Study (HRS), heran. In dieser Studie mussten Personen im Alter zwischen 51 und 61 Jahren angeben, wie wahrscheinlich sie ihrer Meinung nach noch im Alter von 62 Jahren Vollzeit arbeiten würden. Die Personen wurden je nach ihren Antworten in drei Gruppen eingeteilt: eine Gruppe für Personen, die meinten, mit 62 auf keinen Fall noch zu arbeiten; eine Gruppe für Personen, die eine Wahrscheinlichkeit von 1% bis 85% angaben, noch zu arbeiten; und eine dritte Gruppe, die zu 90% bis 100% sicher war, mit 62 Jahren noch zu arbeiten. Nachdem sie das Alter von 62 Jahren erreicht hatten, mussten die Teilnehmer*innen ihren aktuellen Arbeitsstatus angeben. Ihre Einschätzungen zu ihrem Arbeitsstand im Alter von 62 Jahren und ihr tatsächlicher Arbeitsstand mit 62 Jahren wurden im Rahmen der Studie von Abrams und Kolleg*innen verglichen. Weiters erfasste die HRS auch Informationen zu depressiven Symptomen – dafür wurden die Teilnehmer*innen gefragt, ob sie sich einen Großteil der Woche deprimiert fühlten, alles als Anstrengung empfanden, sich allein fühlten, glücklich waren, ihr Leben genossen, ruhelosen Schlaf erlebten, sich traurig fühlten oder nicht in Gang kamen. Auch diese Daten wurden für die Studie von Abrams und Kolleg*innen genutzt. Im Rahmen ihrer Studie erfassen sie auch Daten zur Gesundheit der Teilnehmer*innen. Damit wollte man feststellen, ob depressive Symptome eventuell nur gesundheitlichen Verschlechterungen geschuldet sind.
Die Ergebnisse der Studie zeigten, dass Personen, die unerwarteterweise nicht mehr arbeiteten, mehr depressive Symptome aufwiesen als Personen, die wie erwartet auch noch im Alter von 62 Jahren arbeiteten. Die Forscher*innen konnten auch zeigen, dass das Auftreten depressiver Symptome nicht rein von gesundheitlichen Faktoren herrührt – das Ausscheiden aus dem Arbeitsleben muss also auch seinen Teil dazu beitragen. Interessanterweise zeigten sich im Gegensatz dazu keine Verbindungen zu depressiven Symptomen, wenn Personen unerwarteterweise länger arbeiteten als sie gedacht hatten.
Für die Aufrechterhaltung der psychischen Gesundheit von älteren Erwachsenen während ihres Ruhestandes scheint es folglich relevant, ein unerwartetes Ausscheiden aus dem Arbeitsleben zu vermeiden. Personen, die ihre Arbeit unerwarteterweise früher als geplant hinter sich lassen müssen, sollte psychische Hilfe zur Seite gestellt werden.
Nachzulesen unter:
Abrams, L. R., Clarke, P.J., Mehta, N. K. (2022). Unmet expectations about work at age 62 and depressive symptoms. Journals of Gerontology: Series B, 77(3), 615-625. https://doi.org/10.1093/geronb/gbab113